Die Geschichte von Krautkrämer
Große Pionierleistungen beginnen oft in bescheidenen Verhältnissen. So auch die Geschichte von Krautkrämer, die in einer Garage inmitten der Trümmer des Nachkriegskölns im Jahr 1946 startete. Dr. Josef Krautkrämer, Dozent an der Universität zu Köln, und sein Bruder Herbert, Student an derselbigen, standen vor der Herausforderung, sich bis zur Wiedereröffnung der Universität ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Was lag da nahe? Das, was sie am besten konnten - Physik!
Mit eisernem Willen verwandelten sie ihre Garage in ein Labor und hängten stolz ein Schild mit der Aufschrift „Dr. Josef und Herbert Krautkrämer, Elektrophysik-Unternehmen“ auf. Ihr Ziel war klar: Aufträge für die Reparatur und Entwicklung aller Arten von physikalischen Messgeräten meistern.
Doch das Schicksal hatte Größeres mit den Krautkrämer-Brüdern vor. Durch einen glücklichen Zufall stießen sie auf eine Problemstellung, die über die Grenzen ihres provisorischen Labors hinausging. Die Firma Krupp-WIDIA suchte nach einer zerstörungsfreien Prüfmethode, um den Ausschuss zu minimieren. Es ging um Drahtziehsteine aus Hartmetall, die in vielen Fällen direkt unter der Materialoberfläche Lunker und Poren aufwiesen. Diese Defekte wurden jedoch zu diesem Zeitpunkt erst beim Schleifprozess sichtbar. Mit anderen Worten: eine sehr unwirtschaftliche Angelegenheit! Die Herausforderung bestand also darin, einen Weg zu finden, solche Defekte vor der Weiterverarbeitung der Bauteile zu erkennen – ein Rätsel, das mit herkömmlichen Methoden oder Röntgenstrahlen nicht gelöst werden konnte.
Die Brüder machten sich daran, das Problem mit Ultraschall zu lösen. Mit ihrer Leidenschaft für Physik leisteten sie Pionierarbeit bei der Entwicklung eines Ultraschallgeräts, das die Durchschallungsmethode nutzte. Während ihre erste Entwicklung hinter den Erwartungen zurückblieb, da die Tests mit dieser Methode viel zu lange dauerten, legte sie den Grundstein für eine bahnbrechende Entdeckung, die darauffolgen sollte.
Ein Quantensprung: Das erste echte Krautkrämer-Gerät ist geboren
Als die Brüder 1949 offiziell die Firma „Dr. J. u. H. Krautkrämer Gesellschaft für Elektrophysik OHG“ gründeten, führte die Weiterentwicklung ihres Konzepts zur Entwicklung eines Ultraschallprüfgeräts, bei dem die in das Bauteil übertragenen Ultraschallsignale auf einem Oszilloskop sichtbar gemacht werden. Das Gerät löste das Kernproblem aufgrund unzureichender Auflösung nicht, da es nicht in der Lage war, Porosität, die knapp unter der Oberfläche festgestellt wurde, eindeutig zu bestätigen. Dies veranlasste den Kunden, diese Neuentwicklung auf Eis zu legen. Die Enttäuschung bei Josef und Herbert Krautkrämer war, verständlicherweise, groß.
Trotz dieses Rückschlags gelang es ihnen, ein Gerät mit einer ganz besonderen Fähigkeit zu entwickeln: die zerstörungsfreie Erkennung von Materialfehlern in Stahlteilen. Dieser Durchbruch, der zunächst selbst von den Brüdern Krautkrämer unterschätzt wurde, trug im August 1949 Früchte. Auf einer Tagung des Vereins Deutscher Eisenhüttenleute in Düsseldorf stellten sie ihr deutlich verbessertes Ultraschallprüfgerät vor: Das erste seiner Art in Deutschland und ein typisches „Krautkrämer-Produkt“ mit bahnbrechenden Eigenschaften, die die spätere Entwicklung der industriellen Prüfung prägen sollten.
Dieses innovative Fehlerprüfgerät zeichnete sich durch eine außergewöhnliche Empfindlichkeit, eine bemerkenswert hohe Auflösung und die Fähigkeit aus, Fehler von nur einem Millimeter Größe in einer Tiefe von weniger als zehn Millimetern zu erkennen, was durch einen hochfrequenten Bildschirm mit einer Bildbreite von 50 Millimetern angezeigt wurde. Mit einer Impulsfolgefrequenz von bis zu 1.000 Hertz und einem „tragbaren“ Design - wenngleich mit einem Gewicht von etwa 20 Kilogramm - stellte es einen Paradigmenwechsel in der Fehlerprüfung dar.
Aufbruch zu einer bemerkenswerten Entwicklung
Während des Treffens in Düsseldorf hielt Josef Krautkrämer vor etwa 100 Zuhörern einen Vortrag über „Zerstörungsfreie Ultraschallprüfung“. Herbert Krautkrämer half ihm bei der technischen Einrichtung und bediente den Projektor. Als das Licht am Ende des Vortrags wieder anging, war nur noch ein Trio übrig, darunter der Leiter der Qualitätssicherung bei der Deutschen Bundesbahn.
Das Interesse der Deutschen Bundesbahn entsprang den Herausforderungen, die ihnen die Schienen und Lokomotiven bereiteten. Probleme wie unsichere Betriebsbereitschaft, Achsbrüche und Probleme mit dem Widerstandsvermögen der Schienen traten weiterhin auf. Trotz der Bemühungen, die Röntgentechnik einzuführen, war sie noch nicht verfügbar. Die von Josef und Herbert Krautkrämer vorgestellte innovative Methode versprach jedoch handfeste Lösungen, insbesondere im Hinblick auf die praktische Anwendung. Infolgedessen wurde die Deutsche Bahn schnell zu einem der ersten und wichtigsten Kunden in der Geschichte von Krautkrämer.
Die Brüder Krautkrämer starten eine umfangreiche Vertriebskampagne und reisten an verschiedene Orte, um die Möglichkeiten ihrer Entwicklung aus erster Hand zu demonstrieren. Ihre Bemühungen trugen Früchte, als sie die Fähigkeit des Ultraschalls demonstrierten, interne Materialfehler in Bauteilen zu erkennen. Jedes Mal, wenn ein Fehler durch Ultraschall identifiziert wurde, bestätigte dies seine Nützlichkeit, was oft in einer physischen Bestätigung des Fehlers während der anschließenden zerstörenden Prüfung gipfelte. Obwohl gelegentlich Debatten darüber aufkamen, ob teure Komponenten für die Validierung geopfert werden müssen, und die Zeit bis zum Bruch variieren kann, blieb die Wirksamkeit der Tests konstant.
Die kontinuierliche Weiterentwicklung der Ultraschallprüfgeräte auf der Grundlage praktischer Erfahrungen führte zu einem langsamen, aber stetig steigenden Auftragseingang. Im Januar 1951 wurden alle Lokomotiven der Deutschen Bahn mit einem Krautkrämer-Gerät geprüft, wodurch zahlreiche kritische und weniger kritische Fehler entdeckt wurden. Dies ermöglichte die sichere Wiederaufnahme des Schnellzugverkehrs dank der Ultraschallprüfung. Es schien, als böten sie nicht nur eine gute Lösung, sondern einen Weg, die Branche zu revolutionieren.
Von der Garage auf die Weltbühne
Nach der Wiedereröffnung der Universität zu Köln Ende 1945 hatte Dr. Josef Krautkrämer seine Lehrtätigkeit mit neuem Elan wieder aufgenommen, während Herbert Krautkrämer sein Physikstudium, in dem er später seinen Doktortitel erwarb, fleißig fortsetzte. Ihr täglicher Pendelverkehr zwischen der Universität und dem „Hauptsitz“ des Unternehmens, der sich immer noch in der Garage befand, war zu einem geschäftigen Treiben geworden, voller Physikstudenten, die darauf brannten, als - kostengünstige -Assistenten mitzuwirken.
Das Geschäft des Unternehmens florierte endlich. 1952 wurde ein wichtiger Meilenstein erreicht, als die ersten beiden Mitarbeiter, die angehenden Phyiker Dr. Ludwig Niklas und Dr. Werner Grabendörfer, eingestellt wurden und Krautkrämers erste „Forschungs- und Entwicklungsabteilung“ gegründet wurde. Spezialisierte Rollen gab es noch nicht, stattdessen blieben alle vielseitig in ihren Tätigkeiten.
Im Laufe der 1950er Jahre expandierte das Unternehmen rasch weltweit und gründete seine ersten Auslandsvertretungen in Belgien und Frankreich. In der Folge wurden Vertreter in ganz Europa und darüber hinaus eingesetzt, was den unaufhaltsamen Aufstieg der Prüfgeräte von Krautkrämer weltweit vorantrieb. Als Dr. Josef und Dr. Herbert Krautkrämer zwei Jahrzehnte später auf ihren Weg zurückblickten, erkannten sie, dass sie anfangs dachten, sie würden das Unternehmen vorantreiben, und dann feststellten, dass sie von der ständig steigenden globalen Nachfrage angetrieben wurden.
Ein weiteres Merkmal des Krautkrämer-Ethos war das Engagement für den Wissenstransfer. Mitte der 1950er Jahre, inmitten steigender Verkaufszahlen, einer wachsenden Belegschaft und aufkeimender Bauprojekte, erweiterte sich der Fokus des Unternehmens über die Produktentwicklung hinaus auf die Integration von Anwender- und Feldwissen. Dieser wechselseitige Austausch – der heute unter dem Schlagwort „Co-Creation“ zusammengefasst würde – unterstrich die Philosophie, Prüfer mit dem Know-how des Unternehmens auszustatten, ein Prinzip, das durch die frühzeitige Einführung monatlicher Schulungen zu Ultraschallprüfverfahren im Jahr 1955 veranschaulicht wurde. Dieses Engagement für den Wissensaustausch und die Kundenbindung prägt das Vermächtnis von Krautkrämer bis heute.
Anhaltendes Engagement für Innovation
Die Geschichte von Krautkrämer ist geprägt von Innovationen, die die Landschaft der zerstörungsfreien Prüfung (ZfP) neugestaltet haben. 1952 wurde das Wanddickenmessgerät patentiert, das mit seiner Genauigkeit einen neuen Standard setzte und Präzisionsmessungen von 3 bis 50 mm ermöglichte. In den 1950er Jahren wurde das Krautkrämer USM 2 zum weltweit ersten tragbaren, batteriebetriebenen Ultraschallprüfgerät und revolutionierte die Prüfung vor Ort durch eine Zuverlässigkeit und Leistung, die ihresgleichen suchte.
In diesen Pionierjahren der Ultraschallprüfung stellte Dr. Josef Krautkrämer 1958 das Abstand-Verstärkung-Größe (AVG)-Diagramm vor, eine bahnbrechende Innovation, die eine konsistente Bewertung natürlicher Defekte durch die Echoamplitude ermöglichte. Das AVG-Diagramm verwendete diese Parameter, um die Genauigkeit der Fehlergrößenbestimmung zu verbessern, was einen wichtigen Fortschritt auf diesem Gebiet bedeutete. Das Unternehmen, das nun als Krautkrämer GmbH in Deutschland eingetragen war, folgte bald diesem Beispiel und führte marktreife Geräte ein, die außerdem mit der Fähigkeit ausgestattet waren, die Verstärkung in kalibrierten dB-Schritten präzise einzustellen.
Dieses Engagement für Innovation setzte sich mit der Einführung der ROT-50, der ersten mit rotierenden Prüfköpfen versehenen Rohrprüfanlage, im Jahr 1959 fort. 1960 führte Krautkrämer das USIP 10 ein, das erste Gerät mit einer Verstärkungseinstellung in Dezibel, eine unverzichtbare Funktion für die Fehlerbewertung. Ein Jahr später verfassten die Brüder Krautkrämer zusammen mit anderen angesehenen Autoren das Werk „Ultraschallprüfung von Werkstoffen“. Dieses umfassende Lehrbuch, das 1986 in der 5. Auflage erschien, ist nach wie vor ein Grundpfeiler für die Erläuterung der Ultraschallprüfung. Von Experten liebevoll als „Ultraschall-Bibel“ bezeichnet, ist ihr anhaltender Einfluss und ihre Autorität auf diesem Gebiet nach wie vor unübertroffen und spiegelt das Engagement und die Fachkompetenz ihrer Schöpfer wider.
Im Jahr 1967, nachdem das Unternehmen längst aus seiner Garage herausgewachsen war, verlegte es seinen Hauptsitz von Köln-Klettenberg nach Hürth-Efferen. Heute ist Hürth der Hauptsitz von Waygate Technologies, einem Unternehmen von Baker Hughes, und nach wie vor der zentrale Knotenpunkt für die Produktlinie Krautkrämer, wo Ultraschallgeräte und -anlagen noch immer entworfen und gebaut werden.
Meilensteine in der Ultraschallprüftechnik
In den 1960er Jahren wurden die ersten automatisierten Mehrkanal-Prüfsysteme des Unternehmens entwickelt, die Effizienz und Präzision verkörpern und den Grundstein für zukünftige Fortschritte legen. 1971 wurde das DM 1 eingeführt, ein bahnbrechendes Wanddickenmessgerät mit einem digitalen Bildschirm in der Größe einer Kamera, das die Messtechnik weiter vorantrieb.
Im selben Jahr wurde die "Krautkrämer GmbH" erstmals verkauft und gehörte seitdem zu verschiedenen Unternehmen. 1972 festigte das USIP 11, ein universelles, tragbares Fehlerprüfgerät mit damals innovativen Funktionen wie Echo Start, TCG, AVG sowie Monitorausgängen, den Ruf von Krautkrämer für Produktzuverlässigkeit und Innovation in der Branche.
Seit 1981 werden Prüfanlagen für die Luft- und Raumfahrt gebaut und ständig weiterentwickelt, um den sich ändernden Anforderungen der Branche gerecht zu werden. Nutronik hat diesen Bereich durch die Integration der UTxx-Elektronik in sein Portfolio erheblich gestärkt und die Leistung und Zuverlässigkeit der Prüfanlagen erhöht. Die Einführung des USD 10 im Jahr 1986 war ein entscheidender Moment und läutete die Ära der digitalen tragbaren Fehlerprüfung ein. Die anschließende Einführung des USLT 2000 im Jahr 1999 stellte mit seinem Laptop-basierten Design und der externen Ultraschallhardware einen Paradigmenwechsel dar. Im Jahr 2000 sorgte die ROWA für Aufsehen, als sie als erste Prüfanlage die mechanische Rotation der Prüfköpfe durch eine elektronische Schallstrahlführung mittels Phased-Array ersetzte – eine große Leistung. Das USM 35 kam 2004 auf den Markt und beeindruckte die Branche mit seinem intuitiven Farb-Flachbildschirm und der integrierten AVG-Auswertung. Das 2007 eingeführte Phasor XS vereinfachte die Ultraschallprüfung mit Phased-Array-Technik und machte den Zugang zu fortschrittlicher Technologie leichter. 2009 wurde das USM Go zum kleinsten und leichtesten Prüfgerät, das eine beispiellose Mobilität ermöglichte.
Im Jahr 2014 wurde USIP|xx auf den Markt gebracht, das mit der leistungsstärksten Ultraschallelektronik für automatisierte Prüfungen mit Phased-Array-Technik ausgestattet ist. Insbesondere die seit 2016 in Betrieb befindliche WheelStar UFPE ist ein Beispiel für Innovation bei der automatisierten Unterflurprüfung von Rädern für Hochgeschwindigkeitszüge und zeigt das Engagement für Sicherheit und Zuverlässigkeit. Das USM 100, ein Produkt, das die Fehlererkennung durch seine Vielseitigkeit und digitalen Funktionen neu definiert, wurde 2021 auf den Markt gebracht. Die kürzlich erfolgte Integration von Phased-Array-Elektronik in den Rollenprüfkopf des RotoArray comPAct im Jahr 2023 steht für die fortgesetzte Zielsetzung, bahnbrechende Technologien zu entwickeln und den sich ständig ändernden Anforderungen der Branche gerecht zu werden.
Mit ihrer Leidenschaft für Physik haben Dr. Josef und Dr. Herbert Krautkrämer von dem Tag an, an dem sie ihr Unternehmen in einer kleinen Garage in Köln gründeten, Pionierarbeit bei der Entwicklung der industriellen Ultraschallprüfung geleistet. Ihre Begeisterung und ihr Einsatz für Fortschritt, gepaart mit Zuverlässigkeit und Qualität, setzen sich bis heute fort. Krautkrämer lebt als Name der Ultraschall-Produktlinie von Waygate Technologies, einem Unternehmen von Baker Hughes, weiter – heute Weltmarktführer bei ZfP-Lösungen für die industrielle Prüfung.
Wenn wir auf 75 Jahre Krautkrämer-Produkte zurückblicken, erkennen wir ein Vermächtnis, das noch immer mit den Bestrebungen seiner Gründer verbunden ist. Jeder Meilenstein, jedes Echo ist eine Hommage an ihren Innovationsgeist, den wir fortsetzen.